Toni in Madrid (Ausbildung zum Erzieher)
11/2020 – 04/2021 Erasmus+ Praktikum in Spanien
Ein Auslandsaufenthalt ist eine bereichernde Erfahrung, die die eigenen Perspektiven auf vertrautes, gewohntes und liebgewonnenes schärft. Der Auslandaufenthalt als bereichernder Perspektivwechsel, ist aus meiner Sicht ein Blick aus der Ferne auf sich selbst. Für mich ergab sich diese Möglichkeit innerhalb meiner Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher (als Nicht- Schüler) und ich bin sehr froh und dankbar diese Möglichkeit bekommen und genutzt zu haben. Natürlich muss niemand ins Ausland gehen um sich und seine Lebenssituation zu reflektieren, aber ein Ortswechsel hilft aus meiner Sicht dabei enorm, da Selbstverständlichkeiten plötzlich nicht mehr selbstverständlich sind.
Warum Madrid?
Madrid war und ist für mich eine Art Sehnsuchtsort. Da die spanische Kultur mich schon einige Jahre begleitet und sich in dieser Stadt konzentriert, war es ein Glückstreffer, ein Praktikum hier absolvieren zu können. Besonders das Leben in dieser europäischen Metropole mit ca. fünf Millionen Einwohnern war und ist für mich sehr reizvoll. Madrid ist nicht nur das geographische Zentrum des spanischen Festlandes, sondern auch der Ort, an dem europäische Kultur und Geschichte, im besonderen Malerei und Architektur, in einer Vielzahl bestaunt werden kann. Außerdem finden sich unzählige Parks, Gassen, Plätze, Kultureinrichtungen, Cafés und Bars, Sehenswürdigkeiten u.a., die es zu entdecken gilt. Des Weiteren begegnen sich hier Orient und Okzident, was bis heute sichtbar und spürbar ist.
Meine Unterkunft
Auf Grund der pandemischen Umstände war ich sehr froh am Plaza de España angekommen zu sein. In der Nähe des Plaza de España habe ich zusammen mit vier Menschen gelebt – aus Frankreich, Südafrika, Argentinien und Mallorca. Diese relativ große und internationale WG (Wohngemeinschaft) war ein weiterer Glückstreffer, da ich so bereits Menschen zum Austausch alltäglicher kleiner und großer Herausforderungen gefunden hatte. Die WG habe ich über Idealista ausfindig gemacht. Neben der Wohnungssuche war und ist Corona eine große Herausforderung, natürlich nicht nur in Madrid. Durch die pandemische Lage waren viele Dinge, wie überall, nur sehr eingeschränkt möglich. Durch eine generelle Maskenpflicht und Ausgangssperre, zwischen 6 bis 23 Uhr, war das Großstadtleben ein ruhigeres als gewöhnlich.
Andererseits bin ich sehr froh überhaupt die Möglichkeit gehabt zu haben nach Madrid zu gehen. Trotz der bedrohlichen Lage war die Situation vor Ort sehr liberal. Sogar Bars und Cafés, Museen und andere kulturelle Einrichtungen hatten geöffnet – eingeschränkt, aber offen.
Durch die Zusage meines Zimmers in der WG und mit dem Wissen, starken Rückhalt durch Familie und Freunde sowie durch eine sehr gute Betreuung durch VIVIDUS International konnte mein Leben in Madrid starten.
Meine Anreise
Die Anreise war für mich sehr aufregend, da ich mir einen kleinen Traum eines Roadtrips erfüllte. So bin ich mit dem Auto in Halle gestartet und habe auf meiner 2200 km langen Reise noch Familie und Freunde sehen können, bevor es dann quer durch Frankreich zu meinem spanischen Eingewöhnungsziel in Santander ging. Nach einer Woche Santander und ersten Spanisch-Sprachversuchen ging es dann ohne weitere Umwege nach Madrid. In Madrid hatte ich noch eine Woche zum Einleben, bevor es dann mit meinem beruflichen Alltag losging.
Schneetreiben
Innerhalb meines beruflichen Alltags bestand jederzeit die Gefahr einer Quarantäne. Aufgrund der Vorsichtsmaßnahmen und der strikten Umsetzung dieser, blieb ich in meinen sechs Monaten davon verschont, war aber immer darauf vorbereitet. Lediglich eine Woche lang setzte ich den vorgesehenen Online-Unterricht (im Quarantäne Fall), von meinem Zimmer aus um. Der Grund war nicht Covid, sondern außergewöhnliches Schneetreiben. Es schneite in Madrid wie seit 70 Jahren nicht mehr, ein guter halber Meter Neuschnee war das Resultat und aus zwei Wochen Winterferien wurden drei.
Die Herausforderungen der Schneemassen und auch die Belastung der Kälte für die Menschen, waren in Madrid sehr offensichtlich. Andererseits gab es ebenso große Freude über die Schneemassen. Drei Wochen lang war das gewohnte hektische und laute städtische Treiben in einem weißen Tiefschlaf gefallen. Für mich war es ebenfalls eine ungewöhnliche Erfahrung, zwar vertrauter aber dennoch merkwürdig. Zusammen mit meinem Sprach-Tandem nutzten wir die Zeit kreativ und hatten viel Freude.
Mein Praktikum
Der deutsche Kindergarten ist der deutschen Schule in Madrid angegliedert und seit 2016 befinden sich die Räumlichkeiten im Norden von Madrid. Wenn man das Zentrum Madrids im Rücken hat und den Blick auf die Bildungsstätte richtet, vermutet man nicht unbedingt gleich eine Schule in diesem Gebäude, denn es könnte ebenso gut ein Museum sein.
Sehr schön und produktiv ist der eigene kleine Garten im Außenbereich der Schule. Es besteht die Möglichkeit sich hier mit einzubringen, was sehr gern und dankbar angenommen wird. Nicht nur die Kolleginnen vor Ort freuen sich über tatkräftige Unterstützung, sondern besonders die Kinder haben sehr große Freude an der Gartenarbeit.
Für mich als leidenschaftlichen Hobbygärtner war diese Gelegenheit perfekt. So durfte ich mit den Vorschulkindern der Eulengruppe ein eigenverantwortliches Gartenprojekt umsetzten. Das Vertrauen meiner Kolleginnen mir gegenüber war sehr groß und ich habe mich so schnell und gut in das Erzieherrinnen-Team integrieren können. Dafür bin ich sehr dankbar, da ich so meine pädagogische Grundhaltung festigen und ausbauen konnte.
Der Kindergarten ist in 12 altershomogene Gruppen aufgeteilt, wobei in jedem Jahrgang vier Gruppen sind. Im Kindergartenjahr eins (KG I) sind die drei bis vier, im KG II die vier bis fünf jährigen und im KG III die Vorschulkinder. Alle Gruppen haben Tiernahmen und umfassen maximal 23 Kinder. Der Fokus des Kindergartens liegt auf der deutschen Sprache, was sich auch im Alltag wiederspiegelt. So gibt es z.B. explizite Sprachförderangebote oder Rituale, die sich vorrangig um die deutsche Sprache drehen und diese somit fest in den Alltag integrieren. Je nach Altersstufe wird Deutsch, in den ersten Jahren spielerisch und besonders im letzten Jahr schulischer gefördert. Einige Kinder sprechen nur eine Sprache, deutsch oder spanisch, je nach familiärem Background. Spätestens zur Einschulung sollten die Kinder sich aber in beiden Sprachen ausdrücken können.
Mein Fazit
Für mich war mein Auslandspraktikum eine durch und durch positive Erfahrung und ich kann Menschen die überlegen oder auch zweifeln nur dazu raten diesen Schritt zu wagen. Anfänglich kann es sehr herausfordernd, ja verzweifelnd sein, z.B. das Gefühl zu haben allein zu sein. Aber durch kleine Tricks lassen sich diese Gefühle gut in den Griff bekommen.
Besonders Behördengänge in einer nicht vertrauten Sprache sind abenteuerlich und können auch zu verzweifelnden Momenten führen. Auch Einsamkeit und Heimweh sind Gefühle die definitiv aufkommen und nicht zu unterschätzen sind.
Andererseits finden sich so schöne und ermunternde Begegnungen. Kleinigkeiten werden plötzlich groß und schön. Neue Bekannte oder Kollegen können zu Freunden werden. Die Herausforderung ist es sich darauf einzulassen und einfach vor die Tür zu gehen. Es klingt banal, aber kann tatsächlich so einfach sein. Der Kontakt zu Familie und Freunden hilft enorm, sollte aber im Einklang mit dem Erleben vor Ort stehen. Mir hat die Vorstellung in den ersten Tagen und Wochen sehr geholfen ein Tourist zu sein, der sich neue Orte erschließt. Durch das Erschließen des Lebensraumes kann man sich so schnell zu Hause fühlen.
Ebenfalls hilft es sich bewusst zu machen, dass immer eine Ansprechpartnerin/ Betreuerin da ist, die angerufen werden kann. Bereits in der Vorbereitungsphase wird dies deutlich und VIVIDUS International ist nicht nur hier eine große Hilfe.
Am Ende habe ich mich so wohl gefühlt, dass ich gar nicht so richtig zurück nach Deutschland wollte, weshalb ich nach wie vor anstrebe, in Madrid für eine längere Zeit zu leben und zu arbeiten. Dies liegt aber auch an meinem Beruf, denn
„Wo die Bedürfnisse der Welt mit deinen Talenten zusammentreffen, dort liegt deine Berufung.“ Aristoteles
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